Das Frankfurter Städel-Museum feiert zur die Romantik-Ausstellung eine „Elektromantische Nacht“

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Grusel-Disco im Städel-Museum

Das Frankfurter Städel-Museum feiert zur die Romantik-Ausstellung eine „Elektromantische Nacht“

Die Ära der Aufklärung feierte ihren Höhepunkt in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und anschließend in der französischen Revolution. Willkür der Herrschenden. Unterdrückung, Not und Elend schienen ein Ende zu nehmen, und optimistische Menschen sahen ein glückliches Zeitalter erwachen. Das Abgleiten der französischen Revolution in den Terror, Napoleons europaweite Kriege und die anschließende Restauration hatten jedoch nicht nur eine große Ernüchterung eben dieser Optimisten zur Folge, sondern stürzten vor allem sensible Seelen in Verzweiflung und innere Emigration. Dort stillten die Künstler, denn die stellten mehrheitlich die Fraktion der Sensiblen, zwar ihre Sehnuscht nach allumfassender Liebe und Einssein mit der Natur, konnten sich aber von der Erfahrung menschlicher Abgründe nicht mehr lösen. Die Schrecken von Revolution, Krieg und Leid schlugen sich bei der darstellenden Kunst in Bildern nieder, die das Grauen des Menschen vor sich selbst in drastischen Bildern und Farben wiederzugeben versuchten. Dank der schnell voranschreitenden Industrialisierung und deren über weite Strecken unmenschliche Folgen blieb diese „schwarze Seite“ der Romantik kein ephemerer Zug sondern hielt sich bis ans Ende des 19. Jahrhunderts. Ja, der erste Weltkrieg belebte noch einmal die Darstellung von Angst und Schrecken im Expressionismus.

Der dunklen Seite der Romantik, die doch auch so sehnsuchtsvoll und naturverbunden daherkommen kann, zeigt die Ausstellung „Schwarze Romantik“ im Städel-Museum. Kurator Dr. Felix Krämer hat auf zwei Stockwerken ein – wie er bei der Pressekonferenz ausführte – „Spinnennetz“ von Bezügen zwischen Künstlern verschiedener Einzugsbereiche gewebt. Dabei ging es ihm weniger um die Details der einzelnen Werke sondern vielmehr um die Querbezüge zwischen diesen. Daher hat er eine Reihe von Gemälden so gehängt, dass man beim Betrachten aus dem Augenwinkel korrespondierende Werke wahrnimmt. Da steht dann einem scheinbar die Natur ästhetisierenden Werk ein Grauen ausstrahlendes gegenüber und erinnert an die andere Seite der Romantik.
Bei den Exponaten stehen bekannte Namen neben solchen, die nur Eingeweihten etwas sagen. Namen wie Eugène Delacroix, Arnold Böcklin, Caspar David Friedrich oder Max Ernst sind den meisten bekannt, doch wer kennt schon Johann Heinrich Füssli oder Theodor von Holst?  Johann Heinrich Füssli (1741-1825) verleiht der Ausstellung sozusagen das Motto, denn sein Bild „Der Nachtmahr“ hängt nicht nur am Eingang zur Ausstellung sondern verbreitet auch gleich die „schwarze“ Atmosphäre, die der Ausstellung den Namen gegeben hat: auf einem grauen Bett liegt eine träumende Frau in Weiß dahingestreckt. Auf ihrer Brust hockt ein grauschwarzer, hässlicher Gnom, und aus einem schwarzen Vorhang ragt ein Pferdekopf mit herausquellenden Augen hervor. Heutige Betrachter entdecken vielleicht eher die unfreiwillige Komik dieses Bildes, da sie Gnomen und bedrohlichen Pferdeköpfen seit Dalí nur noch allegorischen Charakter beimessen; die noch wenig aufgeklärten Betrachter der romantischen Epoche jedoch haben darin noch das echte Grauen gespürt. Salvadore Dalí ist übrigens in dieser Ausstellung ebenfalls mit mehreren Bildern vertreten, von denen die „Ballerina als Totenkopf“ dem Begriff „Schwarze Romantik“ durch die unmittelbare Anspielung an Tod und Schrecken am nächsten kommt.

Die Ausstellung gliedert sich in einzelne Bereiche, denen jeweils ein Motto vorangestellt ist. In „Goya und die dunkle Schönheit“   stehen Gewaltverbrechen, Hinrichtungen und Irrsinn im Mittelpunkt, „Satans Erben“ zeigt die dunkle Seite der französischen Romantik in Bildern von Delacroix und Géricault. „Dekadenz und Dämonie“ zeigen Werke belgischer und französischer Symbolisten wie Gustave Moreau oder Auguste Rodin und „Sapere aude“ spätromantische Werke – u. a. von Max Klinger und Edvard Munch – aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Natürlich dürfen auch Arnold Böcklin und Caspar David Friedrich nicht fehlen, wobei ersterer den meisten heutigen Zeitgenossen als Vertreter einer „dunklen“ Romantik durchaus geläufig ist; man denke nur an die „Toteninsel“. Die Ausstellung zeigt von ihm unter anderem die somnambule „Villa am Meer“. Dagegen ist Caspar David Friedrich eher als monumentaler und suggestiver Landschaftsmaler – die „Kreidefelsen von Rügen“! – bekannt. Dass sein Bild „Mönch am Meer“ Zeitgenossen wie Heinrich von Kleist in wahren Schrecken versetzen konnte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, obwohl die kalte Einsamkeit immer noch beeindruckt.
Neben der darstellenden Kunst bietet die Ausstellung auch einen Exkurs in die Welt des Films. Hier können sich die Besucher vor allem Filmklassiker wie „Nosferatu“ oder „Frankenstein“ ansehen. Diese Filmvorführungen sind jedoch nicht separiert sondern eng in die Ausstellung integriert, um den Eindruck der Ganzheitlichkiet zu verstärken. 
Die Ausstellung ist im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Impuls Romantik“ vom Kulturfonds Rhein-Main konzipiert worden und wird nach ihrem Ende in das „Museé d´Orsay“ in Paris wandern. Diese Kooperation bietet sich schon aufgrund der vielen französischen Romantiker an, finden sich in ihnen doch die Franzosen wieder.
Die Ausstellung ist vom 26. September bis zum 20. Januar 2013 dienstags sowie freitags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und donnerstags von 10 bi 21 Uhr geöffnet.

Frank Raudszus

 

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