Trocken aber gehaltvoll: Rheingauer Weine und englischer Humor
Die „Classic Buskers“ reichern die Weinprobe Rheingauer Winzer mit ihrer Version klassischer Musik an
Bei den Veranstaltungen des Rheingauer Musik Festivals sind auch immer die lokalen Winzer vertreten, sei es mit eigenen Ständen – wie auf dem Sommerfest – oder nur mit ihren Produkten. Da liegt es nahe, dem Publikum ausgewählte Weine im Rahmen einer speziellen Weinprobe anzubieten. Damit eine solche Verkostung nicht zu verkaufslastig wird und auch ansonsten in das Programm des Festivals passt, engagiere man erstens einen ausgewiesenen Kenner und „Parleur“ als Moderator und eine Musikgruppe, die für Leben und Lachen sorgt.
Die „Musikalisch-kabarettistische Weinprobe“ am 24. August im Laiendormitorium des Klosters Eberbach beruhte genau auf diesem Konzept. Der ehemalige langjährige Leiter der Johannisberger Weingüter G.H. von Mumm Wolfgang Schleicher bringt durch seine berufliche Laufbahn profunde Kenntnisse des „Weinwesens“ mit. Darüber hinaus ist er jedoch auch ein glänzender Unterhalter, der nicht nur vor Publikum frei und unterhaltsam spricht sondern auch stets eine amüsante Anekdote oder eine bisher unbekannte Information zum Besten gibt. Er stellte an diesem Abend einen Sekt (2007er Hallgartener Jungfrau brut) und sechs Weine vor: 2010er „Goethe“ Riesling trocken, 2011er Johannisberger Schwarzenstein Riesling Spätlese trocken, 2011er GB Charm Riesling halbtrocken, 2011er Schloss Vollrads Riesling Kabinett feinherb, 2011er Steinberger Riesling Spätlese und – last but not least – 2010er Hochheimer Königin Victoriaberg Riesling auslese.
Vor und zwischen den einzelnen Probenrunden unterhielten die „Classic Buskers“ mit Michael Copley und Ian Moore das Publikum aufs Heiterste. Copley ist ein begnadeter Flötist, der über vierzog Blasinstrumente beherrscht. An diesem Abend präsentierte er neben der Quer-, Alt- und Blockflöte noch die Piccoloflöte, ein seltsames Saxophon und eine Reihe anderer skurriler Blasinstrumente, die teilweise wie Blumenvasen, teilweise wie Kinderspielzeug aussahen. Allen jedoch entlockte er die erstaunlichsten Töne und bewies dabei höchste technische Fertigkeiten. Ian Moore begleitete ihn auf dem Akkordeon und setzte auch schon mal als Gegengewicht seine Stimme ein, die eine Ausbildung zum Countertenor erfahren hat. Wenn sich sein Partner auf der Piccoloflöte oder anderen abseitigen Blasinstrumenten zu immer neuen aberwitzigen Läufen aufschwang, rollte Moore schon einmal genervt die Augen, zog die Mundwinkel herunter oder zeigte durch Körpersprache seine Abneigung gegen und seinen gespielten Neid auf diese Kunstfertigkeit. Dann konnte er den tirilierenden Gesang der Flöten auch mal durch einen barschen Akkord unterbrechen, nur, um einen strafenden Blick von Michael Copley einzufangen. Diese Art trockenen britischen Humors durchzog alle Auftritte der beiden und gab Anlass zu vielen Lachern und zum Schmunzeln.
Doch die beiden sorgten nicht nur für Lacher. Ihre Domäne – welch Wortwahl bei einer Weinprobe! – ist die klassische Musik, die sie in wahrhaft ungewöhnlichen Instrumentierungen präsentierten. Schon der „Musikalische Auftakt“ brachte unter anderm eine Version von Rossinis „Barbier von Sevilla“ für Akkordeon und verschiedene Flöten in einem geradezu atemberaubenden Tempo. Beim ersten „Musikalischen Intermezzo“ interpretierten die beiden Händels „Wassermusik“ in äußerst strammer, akustisch überspitzter Manier und legten noch die Ouvertüre zu Mozarts „Hochzeit des Figaros“ nach. Nach dem zweiten „Intermezzo“, als die Weine schon Aperitif-Charakter annahmen, steigerten sie sich zu Rossinis „Diebischer Elster“, zu Bizets „Carmen-Suite“ und zu anderen Gassenhauern der klassischen Musik. Dabei drehte Michael Copley noch weiter an dem Rad ausgefallener Blasinstrumente – unter anderem ein kleiner, bunter Plastik- Hahn, bei dem Kinder durch Herausziehen eines Stabes Töne erzeugen können – und Ian Moore zeigte nicht nur rasante Akkord- und Motivfolgen auf seinem Akkordeon sondern steigerte auch seine humoristischen Einlagen und gerspielten Ausfälle gegen seinen Partner. Zum musikalischen Ausklang servierten die beiden als Nachtisch Tschaikowskys „Russischen Tanz“ sowie Ravels „Bolero“ und legten noch eine besonders abgedrehte Version von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ nach.
Dazu beschrieb Wolfgang Schleicher nicht nur die jeweiligen Weine mit farbigen Worten sondern wusste auch zu fast jedem eine Geschichte zu erzählen. So berichtete er von Graf Matischka-Greiffenclaus – der vormalige Besitzer von Schloss und Weingut Vollrads – Behauptung, Goethe sei „ein alter Alkoholiker“ gewesen, nur weil dieser in seiner Rheingau-Beschreibung aus dem Jahr 1814 wenig Gutes über das Schloss Vollrads geäußert hatte. Mit dem „Alkoholiker“ dürfte er jedoch nach Aussagen u. a. der Familie Brentano nicht ganz so falsch gelegen haben. Den Rheingauer Wein hat Goethe laut einem von Wolfgang Schleicher zitierten Gedicht mit einem „Liebesrausch“ verglichen. Ebenso informativ wie unterhaltsam erzählte Wolfgang Schleicher bei der letzten Probenrunde von der Gründung des Klosters Johannisberg und die Bedeutung des Bistums Mainz für den Rheingau. Nebenbei gab er eine Anekdote über den Kommentar eines Wirtschaftsexperten zu Franz Schuberts „Unvollendeter“ zum Besten, der die Partitur und die Effizienz der Musiker nach geradezu grotesken Kriterien beurteilte. Obwohl diese Anekdote bekannt ist, bietet sie immer wieder Anlass zum Schmunzeln und passt natürlich zum Hauptthema des Rheingau-Musik-Festivals.
Der begeisterte Beifall des Publikums lockte die beiden Musiker noch zu zwei Zugaben auf die Bühne, und als dann schließlich die jungen Damen mit den obligatorischen Weinflaschen für die Künstler auf der Bühne erschienen, legten die beiden noch einen Schlussgag nach: Ian Moore entriss der jungen Dame beide Weinpakete und verschwand mit Wein und Weib nach hinten, nur um nach zwei Minuten ohne Wein und Mädchen, aber mit mürrischer Miene hinter einem weinbepackten Michael Copley wieder auf die Bühne zu schlurfen.
Fazit: Ein unterhaltsamer Abend, bei dem sich die musikalische und die önologische Qualität auf hohem Niveau die Waage hielt.
Frank Raudszus
No comments yet.