Lange Schlangen vor der Nationalgalerie
Die Neue Nationalgalerie in Berlin lockt das Publikum mit der Ausstellung „Gerhard Richter Panorama“ in Scharen an
Etwas fehlt in dieser Ausstellung der Neuen Nationalgalerie am Potsdamer Platz: der Film „Gerhard Richter Painting“, der zur Zeit in verschiedenen Städten gezeigt wird. Ob man daran nicht daran gedacht hat oder ob lizenrechtliche Gründe dagegen sprachen, sei dahingestellt. Dieser Fil wäre jedoch eine ideale Ergänzung zu der Ausstellung gewesen.
So muss sich der Besucher mit dem Audio-Guide begnügen, der allerdings ebenfalls viel Detailinformation zu den einzelnen Werken liefert. Außerdem müssen interessierte Besucher früh aufstehen, um die Ausstellung zu sehen, denn selbst an Wochentagen wartet schon lange vor der offiziellen Öffnung eine lange Schlange von geduldigen Kunstfreunden auf den Einlass. Wer zu spät kommt, der muss lange warten, ehe wieder eine Gruppe von Besuchern eingelassen wird, denn die Zahl der gleichzeitig durch die Ausstellungsräume wandelnden Menschen ist begrenzt. Erst wenn einige das Haus verlassen, lässt das Personal am Eingang wieder eine entsprechende Zahl von Besuchern hinein.
Die Ausstellung findet anlässlich des 80. Geburtstags des Künstlers statt, der 1932 in Dresden zur Welt kam, in der DDR seine Karriere begann und schließlich im Jahr 1961 wegen zunehmender Drangsalierungen in den Westen floh. Seitdem hat er nahezu ununterbrochen gemalt und einen ganz eigenen Stil geschaffen, der einerseits abstrakte, andererseits ausgeprochen figurative Stilarten umfasst. Zwei Hauptrichtungen lassen sich auch in dieser Ausstellung nachvollziehen: einerseits die Bilder – Porträts und Landschaften – mit bewusst verwischten Konturen, andererseits die großflächigen Spachtelbilder, die keinerlei figurative Motive aufweisen. In diesen experimentiert Richter mit einem breiten Spachtel, den er in der ganzen Bildbreite über die vorher aufgetragenen Farbflächen zieht. Zusätzlich bestreicht er dabei den Spachtel mit einer anderen Farbe, so dass sich nach jedem Streichen – mal senkrecht, mal waagerecht – ein neues Streifen- und Farbmuster ergibt. Dabei entstehen zufällige Strukturen, die manchmal an die Silhouette einer Statt, dann wieder an Bäume oder andere Gegenstände erinnern. Schaut man jedoch Gerhard Richter – im besagten Film – bei der Erstellung dieser Bilder zu, so wird deutlich, dass hier der pure Zufall herrscht. Richter geht es dabei ausschließlich um, die Farb- und Strukturwirkung, und auf Fragen aus dem „Off“ antwortet er teilweise entwaffnend, dass er die „Bedeutung“ dieser Bilder auch nicht kenne.
Die verwischten Bilder üben eine geradezu magische Wirkung aus, da die Motive wie hinter einem Schleier erscheinen, der sowohl eine Distanz als auch eine gewisse Transzendenz erzeugt. Ein Beispiel für diesen Stil ist die . Der Naturalismus des Motivs wandelt sich dadurch in das Ungefähre einer Ahnung über dessen wahres Wesen. Eine dritte Variante von Richters Malkunst sind fotorealistische Werke, bei denen man sehr nahe an das Bild herangehen muss, um festzustellen, dass es keine Fotografie ist. Abgerundet wird die Ausstellung durch Farbübungen, bei denen Richter auf quadratischem Hintergrund farbliche Schachbrettmuster in den unterschiedlichsten Kombinationen angelegt hat, bei denen die einzelnen Flächen scharf voneinander abgesetzt sind.
Die Ausstellung zeigt rund 140 Werke aller Größenordnungen und beschränkt sich auf die Fläche im Erdgeschoss. Besuchern wird empohlen, das Angebot eines Audio-Guides zu nutzen, weil dieser detaiilierte Informationen zu den einzelnen Werken liefert.
Die Ausstellung ist wochentags von 10 bis 18 Uhr (donnerstags bis 22 Uhr) und am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Frank Raudszus
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