Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt eine Werkschau des amerikanischen Malers George Condo

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Ein Kunstsprachkünstler der Moderne

Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt in „Mental States“ eine Werkschau des amerikanischen Malers George Condo

1202_Condo_Banker.jpgWenn man durch diese Ausstellung wandelt, drängt sich irgendwann der Sprachkalauer „Yes, he Condo“ auf. Seltsamerweise gehört George Condo nicht zu den „angesagten“ Künstlern, wie es etwa einst Jackson Pollock oder Andy Warhol waren. Das mag an seiner eher subtilen Art der Provokation liegen, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann, oder an seinem unspektakulären, geradezu bescheidenen Auftreten. George Condo, geboren 1957, stammt aus einer Professoren-Familie und sah offensichtlich keinen Grund, gegen seinen Vater und damit gegen die gesamte Väter-Generation zu rebellieren. Schließlich riet ihm sein eigener Vater zu der künstlerischen Laufbahn.

1202_Condo_Woman.jpg Bei der Pressekonferenz in der Kunsthalle Schirn nahm George Condo höchstpersönlich den Platz neben Schirn-Direktor Max Hollein ein. Dabei übernahm er nach dessen einleitenden Worten auch die Rolle des Kurators, der sonst für Anordnung und Interpretation der ausgestellten Werke zuständig ist. In einem lebendigen Vortrag erklärte er den Besuchern Ursprünge und  Zusammenhänge seiner Werke ohne jeglichen Hauch von Eitelkeit oder Provokation. Er markierte weder den Rebellen noch den abgeklärten Intellektuellen, sondern führte die Anwesenden ohne schriftliches Manuskript und in druckreifem, gut verständlichem Englisch durch sein künstlerisches Werk. Als Kurator würde er sich wahrscheinlich in jedem angesehenen Museum einen Namen machen.

Doch diese Stellung benötigt er nicht, da seine Kunst mehr aussagt als jeder Kurator daraus machen könnte. Leider führt das Poster, mit dem die Schirn für diese Ausstellung wirbt, etwas in die Irre. Man sieht darauf eine comic-ähnliche Kunstfigur und vermutet dahinter einen Adepten oder Epigonen – je nach Blickwinkel – der modernen Pop-Art. Doch weit gefehlt: George Condos Werk zeigt wesentlich mehr Facetten als das Werbeposter verrät. Dazu muss man allerdings seinen Lebenswweg kennen, denn er ist ein ausgesprochen vielseitiger Künstler. Er hat sowohl Kunst als auch Musik studiert und längere Zeit in einer angesehenen Band gespielt, ehe er sich endgültig für die darstellende Kunst entschied. George Condo versuchte stets, den Dingen auf den Grund zu gehen, sowohl praktisch als auch theoretisch. In seinen Erklärungen zu seinen Werken bei der Pressekonferenz griff er bis auf Heidegger und Hegel zurück und lieferte einen kleinen philosophischen Exkurs über den Hintergrund seiner Bilder. Darüber hinaus hat er sich in Museen und Gemäldegalerien detaillliert über die Maltechniken verschiedener Epochen und Schulen informiert. Dieses Studium diente jedoch nicht akademischen Zwecken, sondern ging unmittelbar in seine Kunst ein.

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Condos „Markenzeichen“ ist die konkrete Verbindung verschiedener Kunstsprachen. In Anlehnung an diverse Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts betrachtet er die darstellende Kunst – wie übrigens auch die Musik – als eine Sprache und ihre verschiedenen Ausprägungen als Dialekte. Seine Malerei übernimmt bestimmte Techniken, setzt sie jedoch in einem völlig anderen Kontext ein. So kann ein Gemälde im Stile eines Velazquez eine junge Frau darstellen – man denkt sofort an eine Prinzessin -, doch der Gesichtsausdruck ist der einer Figur von Max Beckmann. Andere Bilder zeigen ebenfalls einen traditionellen  kompositorischen Aufbau aus einer beliebigen Epoche, doch die Portraits der dargestellten Personen zeigen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte oder verquollene Gesichtszüge. Das Gesicht, das stets als Ausdruck der individuellen Innenwelt galt, enblößt bei Condo eine hässliche Realität: Begierden, Ängste, Obsessionen und Aggression spiegeln sich in den buchstäblich entgleisten Gesichtszügen wider. Bei dem Bildaufbau und der farblichen Komposition zitiert Condo den gesamten Kanon der Malerei: man erkennt mal Picasso, dann wieder Magritte bzw. de Chirico oder ältere Klassiker wie eben Velazquez. Von Plagiaten sind diese Bilder jedoch weit entfernt. Sie nehmen den jeweiligen Stil nur als Ausgangspunkt und kontrastieren ihn ironisch mit einem grotesk verfremdeten Inhalt. Der Begriff „Ironie“ trifft dabei eher zu als Satire oder Parodie, denn bei aller Spannung und Gegensätzlichkeit wohnt diesen Bildern nichts wirklich Bösartig-Aggressives oder Negierendes inne. Condo beobachtet die Welt und bringt die Diskrepanz zwischen Schein und Sein auf den malerischen Punkt. Dazu gehören die hinter einem klerikalen Ornat versteckte bigotte Wut genauso wie die sexuelle Begierde hinter einem Frack und Monokel.

Für Frauen-Portraits hegt Condo eine besondere Vorliebe. Ganze Ausstellungen sind damit schon bestückt worden. Seine großformatigen Frauenbilder erinnern im ersten Augenblick an das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert, scheinbar realistisch, ohne naturalistisch zu sein. Dann jedoch entdeckt man die kleinen, verstörenden Abweichungen in der Physiognomie oder der Körperhaltung. Da hat dann die ansonsten asugewogen realistisch dargestellte Frau zwei Augen unterschiedlicher Größe und Farbe, oder die gekreuzten Arme liegen wie eine starre Barriere vor ihrem Körper. Andere solche Frauenportraits zeigen einen in Farbe und Form üppig-erotischen nackten Körper, auf dem ein fratzenhafter Kopf sitzt, bei dem die Zähne aus den Wangen ragen. Der fast alle seine Bilder durchziehende Gegensatz zwischen Form und Inhalt – Körper und Gesicht, Kleidung und Blick, Komposition und Kontext – verweist auf die gesellschaftlichen Widersprüche, die Condo laut eigener Aussage unter anderem in dem gesellschaftlichen Anspruch der Finanzwelt und ihrem wahren Wesen angesichts der Finanzkrise(n) sieht. Diese Widersprüche ziehen sich durch die gesamte Gesellschaft – Industrie, Militär, Kirche, Staat – und finden ihren Niederschlag in George Condos Gemälden.

Ganz ohne direkte Provokation kommt jedoch auch George Condo nicht aus, obwohl diese vielleicht nicht immer so gemeint war. So stellen einige Portraits Königin Elizabeth II. dar, zwar in erkennbarem realistschem Ornat, jedoch mit grotesk verzerrten Gesichtszügen. Dass diese Bilder in England zu Diskussionen führte, war wohl trotz ihres unübersehbaren humoristischen Charakters vorauszusehen. Anders die drei großen Kreuzigungsbilder, die schon jedes für sich eine einzige Herausforderung vor allem für die katholische Kirche darstellen müssen. Doch gerade diese Bilder zwingen den Betrachter, sich mit dem wahren Wesen der Religion und der Instrumentalisierung ihrer tabuisierten Ikonen zu beschäftigen.

Eine neuere Spielart sind die „zeichnerischen Gemälde“, bei denen Condo aus zeichnerischen Skizzen überdimensionierte „Linien-Gemälde“ entwickelt. Die quadratischen Bilder von gut eineinhalb Metern Seitenlänge enthalten eine Überfülle an kleinsten Motiven des Alltags, von Gegenständen und Menschen. Eine „Geschichte“ lässt sich diesen Bildern nicht mehr entnehmen, sie sind vielmehr ein überquellendes Konglomerat an Versatzstücken des Lebens. Eine Sammlung von goldenen Kopfskulpturen rundet die Ausstallung ab. Dabei erinnern auch diese Köpfe an ihre antiken und klassischen Vorbilder, die Physiognomien verweisen jedoch auf die Gegenwart und ihre Widersprüche.

Die Ausstellung ist vom 22. Februar bis zum 28. Mai 2012 dienstags sowie freitags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags von 10 bi 22 Uhr geöffnet.

Frank Raudszus

 

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