Die „Neue Bühne Darmstadt“ inszeniert Woody Allens Filmkomödie „Broadway – Danny Rose“.
Das amerikanische Show Business – kurz „Showbiz“ genannt – ist für knallhartes Geschäftsgebaren bekannt, wenn nicht berüchtigt. Was auf der Bühne als humorvolle, menschelnde oder gar rührselige Unterhaltung – neudeutsch „Entertainment“ – daherkommt, ist in Wirklichkeit ein gnadenloser Konkurrenzkampf um die Pfründe des öffentlichen Unterhaltungsmarktes. Das „enfant terrible“ dieser Branche, Woody Allen, hat dieser schillernden Branche und ihrem eher fragwürdigen Ruf in den achtziger Jahren mit dem Film „Broadway – Danny Rose“ eine moralische Antithese entgegengestellt. Dieses filmische Denkmal, das Woody Allen den unbekannten weil erfolglosen „Showbiz-Kämpfern“ gesetzt hat, hat jetzt die „Neue Bühne Darmstadt“ als Theaterstück auf die Bühne gebracht.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Künstler-Agent Danny Rose, der wegen seiner geschäftlichen Unfähigkeit – er kümmert sich persönlich um seine Klienten und teilt ihre Sorgen und Nöte! – nur drittklassige Künstler, sozusagen den künstlerischen Bodensatz, vertritt. Dannys Kunden sind eine Glasharfenspielerin, eine blinder Xylophonist, ein Luftballon-Künstler und schließlich Lou Canova, ein abgehalfterter, alkoholabhängiger Schnulzensänger. Mit fast verzweifelter Inbrunst versucht er, diese „Showbiz-Größen“ potentiellen Kunden anzudienen, die jedoch alle mehr oder minder genervt abwinken.
Da kommt dem nimmermüden Danny Rose, der wie ein Stehaufmännchen nach jeder Niederlage im Glauben an den großen Durchbruch wieder von neuem anfängt, eine Nostalgiewelle zugute, die plötzlich über den Broadway schwappt. Auf einmal ist Lou Canova, der jeden Abend mit der Flasche verbringt, wieder gefragt. Doch er will nur auftreten, wenn seine neue Flamme Tina erscheint, wobei ihm weder seine Ehefrau noch die Last bestehender Alimentezahlungen ein Problem bereiten. Jeden Tag schickt er Tina eine weiße Rose und leiht sich dafür auch schon mal Geld von Danny aus. Danny jedoch sieht die einmalige Chance und versucht, Lou bei der Stange und für die Bühne fit zu halten. Und so besucht er Tina, um sie zu überreden, zu Lous Auftritt zu kommen. Doch trifft er dabei nicht nur auf eine äußerst erboste weil eifersüchtige Frau sondern auch auf Tinas ehemaligen Freund Johnny Rispoli und seine italienischen Mafia-Brüder. Tina und Danny rennen vor den schwarz gekleideten Mafia-Schergen um ihr Leben…..
Es ist nie einfach, einen Film, der ganz andere Blickwinkel einnehmen kann, auf die Bühne zu übertragen. Renate Renken hat sich eng an die Vorlage gehalten und auch die Rahmenhandlung übernommen, in der zwei Künstler sich in einer Deli-Bar über die „alten Zeiten“ mit Danny Rose unterhalten. Diese Rahmenhandlung setzt immer dann ein, wenn Brüche des Handlungsfadens zu erklären oder zu überspringen sind. Wollte man dies in der Handlung selbst erreichen, würde das zwangsläufig zu Längen führen. Im Film ist ein solcher Schnitt natürlich leicht zu bewerkstelligen, während er auf dem Theater stets mit einem expliziten Wechsel des Geschehens auf der Bühne verbunden ist. Wenn dann noch Schauspieler in mehreren Rollen auftreten, wird das Ganze schnell sehr kompliziert. Doch das Ensemble der „Neuen Bühne“ meistert diese Herausforderungen ohne sichtbare Probleme.
Die Hauptrolle spielt dieses Mal nicht Rainer Poser, der üblicherweise die zentralen (Männer-)Rollen übernimmt. Axel Raether spielt Danny Rose, und in der zweiten männlichen Hauptrolle, Lou Canova, ist Ralph Dillmann zu sehen. Natürlich hat man bei Danny Rose immer Woody Allen vor Augen, und im Vergleich zu ihm ist Axel Raether eine Spur zu korrekt. Das betrifft sowohl die Kleidung, die durchaus ein wenig nachlässiger sein könnte, als auch den Haarschnitt – ein Markenzeichen Woody Allens! -, der ebenfalls bei Axel Raether ein wenig zu akkurat wirkt. Sein Auftreten könnte ebenso ein wenig chaotischer wirken. Denn vom Text her ist er als ein Mann charakterisiert, der über keine zwingende, „stringente“ Strategie oder gar Durchsetzungskraft verfügt, sondern der sich stets mit allem und allen emotional identifiziert und darüber das Große und Ganze und vor allem die eigenen geschäftlichen Interessen vergisst. Das passt nicht zu einem korrekt frisierten und gekleideten Mann, wie ihn Axel Raether äußerlich darstellt. Sein Verhalten in den einzelnen Szenen entspricht dann zwar dem Text und der Intention, aber es bleibt stets ein Bruch zwischen seinem Äußeren und seiner inneren Verfassung. Auch seine Hilflosigkeit in bestimmten Situationen könnte man noch deutlicher – ja, geradezu „peinlicher“ – darstellen. Hier besteht also noch Verbesserungspotenzial.
Dagegen hat sich Ralph Dillman schon besser in die Rolle des halb verlotterten Lou Canova hineingefunden. Er steht streckenweise bewusst neben sich, lässt nichts mehr an sich herankommen als die Flasche und schwadroniert über die Frauen und seine angeblich großen Erfolge. Die typische Verhaltensweise eines Künstlers im rasanten Abstieg , wenn nicht Absturz. Sein Lou Canova zeigt sich selbst überrascht über die plötzliche Nachfrage nach seinen sentimentalen Gesangsnummern und schreibt sie seiner künstlerischen Potenz und nicht der temporären Kitschlaune eines flüchtigen Publikums zu. Dazu passt auch seine bräsige Aussprache mit Danny Rose, in der er ihm jovial und von oben herab wegen seines plötzlichen Aufstiegs in eine andere Liga die Zusammenarbeit kündigt. Dankbarkeit oder gar Skrupel gehören nicht in das Weltbild dieses Möchtegernkünstlers.
Eine willkommene Auflockerung der eher melancholischen und melodramatischen statt aufregenden Handlung bringen die Figuren um den Mafia-Paten Onkel Rocco (Rainer Poser). Rainer Poser gibt hier den Grandseigneur der „Familie“, der seine Hände schon lange nicht mehr selber schmutzig macht und die Drecksarbeit durch seine Adlaten Joe (Dominik Gierscher) und Vito (Markus Hill) erledigen lässt. Da wird dann schon mal die Axt geschwungen, um ein Bein kurz und bündig zu amputieren…
Marcel Schüler kann in der Rolle des Johnny Rispoli zeigen, dass er neben der abgeklärten Art des nostalgischen Künstlers Sandy auch das emotionale Tremolo draufhat, und Bianca Weidenbusch wird als eifersüchtige und nahezu durchgeknallte Tina geradezu zur Hyäne, der man als Mann lieber nicht gegenüber stehen möchte.
Zu Beginn lässt sich die Inszenierung etwas zäh an, wenn Sandy und Morty über „früher“ sinnieren und Danny Rose einige drittklassige Künstler vorführt. Man wünscht sich etwas mehr Tempo oder emotionale Dichte, und die kommt dann schließlich mit Johnnys erotischer Ekstase unmittelbar zur Pause. Danach beschleunigt sich die Handlung, einerseits durch Lous plötzlichen Karrieresprung, andererseits durch die Verfolgungsjagd der Brüder Rispoli auf Danny Rose, Johnnys vermeintlichen Rivalen bei Tina. Dadurch gewinnt die Inszenierung an Tempo und auch an emotionaler Dichte. Und wie bei Woody Allens Filmen üblich, steht Danny Rose am Schluss als geschäftlicher Verlierer aber emotionaler Gewinner da.
Das Bühnenbild mit einer echten Bar, an der man gerne einen Drink genossen hätte, und einer kleinen Bühne mit rotem Vorhang stammt von Nicola Reinitzer, und die Musik am Klavier steuert mit professionellem Jazz-Anschlag Heike Pallas bei. Im Ganzen eine runde Inszenierung mit wenigen Längen und einigen Verbesserungsmöglichkeiten.
Frank Raudszus
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