„Bidla Buh“ ist der Titel eines bösartigen Chansons von Georg Kreisler, in dem ein „Prachtkerl von Mann“ reihenweise Frauen verführt und dann umbringt. Dieses fröhliche Volkslied mit dem bösen Text hat die drei Mitglieder der Gruppe „Bidla Buh“ geprägt, die Kreislers doppelbödigen Humor lieben und ihren eigenen Programmen eine ähnliche Struktur verleihen. So geben sie sich auch gleich den Beinamen „Die Prachtkerle“ und ihrem Programm den Titel „Wer angibt, hat mehr vom Leben“.
Buchstäblich im Mittelpunkt der Gruppe, nämlich zwischen den beiden anderen auf der Bühne, steht Hans Torge Bollert, der neben der Trompete noch das Akkordeon und natürlich seine Stimme beherrscht. Er tritt als geschniegelter Sänger à la „Max Raabe Orchester“ mit gegelter Haartolle auf und spielt sich gleich beim Auftakt gezielt in die Mitte. Seine Mitspieler stellt er mit liebenswerten und ausgesprochen kollegialen Worten vor: Olaf Klindtwort, der neben dem Gesang auch die Gitarre auf meisterliche Weise pflegt, ist bei ihm angeblich sein älterer Bruder und „ein in die Jahre gekommener Rüde“. Gemäß einer offensichtlich gut einstudierten Choreograph quittiert dieser die Freundlichkeit mit einem sparsam kaschierten säuerlichen Lächeln. Über den zweiten Mann, Jan-Frederick Behrend am Schlagzeug, braucht Bollert keine Erklärung abzugeben. Ein eher mitleidiger Blick zu ihm reicht, denn Behrend sitzt als lebendes Beispiel eines vom Schicksal bestraften und darob höchst unzufriedenen Menschen hinter seinen Instrumenten. Die Augenbrauen sind zusammengezogen, der linke Mundwinkel hängt wie bei Frankensteins Geschöpf tief hinunter, und wie dieses Monster starrt Behrend bös ins Publikum und auf seine Mitspieler. Diese sorgfältige Chargierung der drei Musiker ist jedoch keine temporäre Marotte, sondern alle drei halten ihre Rollen bis zum Schluss durch. Behrend tut dies in eherner Konsequenz auch über Zwischenapplaus hinweg bis zum finalen Verbeugen, und seine Bewegungen auf der Bühne erinnern ebenfalls an den Kunstmenschen des Dr. Frankenstein. Erst bei der Übergabe des üblichen Weingeschenks am Schluss durch ein Kind gewinnt er menschliche Züge und zeigt ein breites Lächeln. Behrends Rolle zieht sich als „Running Gag“ durch das gesamte Programm und sorgt allein durch die Optik schon für viele Lacher.
Aber gesungen und musiziert wurde an diesem Abend in der Domäne Rauenthal in Eltville auch. Es beginnt mit einem Kuhglocken-Potpourri, gespielt von Jan-Frederick Behrend und begleitet durch Jodler von Hans Torge Bollert. Anschließend interpretiert dieser Mick Jaggers „I can’t get no satisfaction“ in der Diskantstimmen der dreißiger Jahre. Max Raabe und die „Comedian Harmonists“ lassen grüßen, und die Diskrepanz zwischen dem Auftritt und der akustisch-visuellen Assoziation, die sich zwangsläufig bei diesem Stück einstellt, könnte kaum größer sein. Szenenapplaus für diese gekonnte sängerische Groteske.
Die Einschlaflieder für die lieben Kleinen kommen hier wahrhaft martialisch daher. Aus dem „Guten Abend, gute Nacht“ wird schnell ein böses Liedchen über kleine und große Haie, die ein kleines Mädchen beim Schwimmen jagen (und fressen), dann tragen die drei als Rapper mit Pudelmützen und Sonnenbrillen das Märchen von Schneewittchen als beinharten Rap vor.
Zwischendurch zeigt Hans Torge Bollert seine wahrhaft beeindruckenden Pfeif-Künste, wenn er eine ganze Reihe klassischer Themen potpourriert. Dann wieder treten alle drei „a capella“ mit einem Antivegetarier-Lied auf, in dem sie lauthals nach „Schinken, Wurst, Speck – kein Salat“ rufen. Ein veritabler Rock’n Roll aus der „klassischen“ Ära kommt auf Hamburgisch mit eigenem Text daher und Jan-Frederick Behrend spielt Beethovens „Pour Elise“ geradezu virtuos auf einem Xylophon, um dann plötzlich unter musikalischer Assistenz seiner Kollegen in die „Schlumpf-Melodie“ zu verfallen.
Nach der Pause unterhält Hans Torge Bollert das Publikum zu Beginn mit allerlei Lautmalereien und sinnfreiem Reden, um die Zeit bis zum Auftauchen seiner Mitstreiter zu überbrücken. Der scheinbare Lapsus ist natürlich kalkuliert. denn schließlich stürmen die beiden als Fußballfans mit Schal und anderen Requisiten auf die Bühne. Nun wird erst einmal ein Fußballerlied zum besten gegeben, das in der Nationalhymne, kunstvoll auf Bierflaschen intoniert, endet. Anschließend singt Olaf Klindtwort sein lautmalerisches Liebeslied auf die „geliebte Wiebke“, das er schließlich seinem stummen Sekratär Behrend rhythmisch in eine zum Perkussionsinstrument umdefinierte Schreibmaschine diktiert.
In diesem Stil geht es Schlag auf Schlag weiter. Unter den schrägen Couplets ist ein Trio-Gesang auf eine Wurstfachverkäuferin, den ein entsprechender Kalauer einleitet, ein Liebeslied auf eine Angela, deren Namen sich eigentlich auf das Reimwort Ferkel reimen müsste aber – als Pointe – einem anderen Namen weichen muss. In einem klassischen Einsprengsel singt Bollert zur betont seriösen Begleitung von „Professor“ Klindtwort ein angeblich posthumes Werk von Franz Schubert über „Wasserleichen in … Teichen“, das man durchaus als Reverenz an den Namenspaten Georg Kreisler verstehen kann. Im „Tischsitten-Song“ intonieren die drei – frei nach dem Bild vom Zappelphilipp aus dem „Struwwelpeter“ – ein Rhythmusstück für Sprechstimmen, Besteck und Geschirr, das auch die Lachnerven der Zuschauer klirren lässt. Auch „Mein kleiner grüner Kaktus“ kommt hier wieder einmal zu Ehren, doch nur anfangs im bekannten Gewand und dann in einer zunehmend schrägen und abgewandelten Version. Hans Torge Bollert liefert noch eine herrliche Parodie auf Marius Müller-Westernhagen, und schließlich endet der Abend mit einer A-Capella-Version des Dauerbrenners „In the Mood“. Natürlich durfte der Abend so nicht enden, und der rhythmische Beifall des Publikums animierte die drei Musiker noch zu einigen Zugaben, darunter „Ich brech die Herzen der stolzesten Fraun“ in einer Version, die Heinz Rühmann an surrealistischem Witz noch übertraf.
Die Gruppe „Bidla Buh“ zeigt in ihrem Programm nicht nur viel kreativen Witz bei den Texten der oftmals bekannten Schlager, sondern vor allem hohes musikalisches Niveau. Hans Torge Bollert verfügt über eine äußerst wandlungsfähige Stimme, die allen Genres gerecht wird, und bringt diese mit sehr viel künstlerischem Charisma an den Mann und die Frau. Daneben setzt er immer wieder gekonnt die Trompete ein. Olaf Klindtwort zeigt sich als Meister der Gitarre und erweist sich auch im Fach Gesang firm. Dem in den Mittelpunkt drängenden Entertainer-Humor von Bollert setzt er feine Ironie und die vermeintliche Abgeklärtheit des Älteren entgegen, kann aber auch aus sich herausgehen und die Augen rollen, wenn das Stück es verlangt. Jan-Frederick Behrend ist nicht nur als Typus ein Dauergarant für Lacher, sondern daneben ein hervorragender Perkussionist auf verschiedenen Instrumenten, spektakulär vor allem auf dem Xylophon. Seine Rolle als tumber Tor mit hohem Frustrationspotential scheint ihm darüber hinaus so zu gefallen, dass er sich bis zum Schluss in die Haut des trommelnden Underdogs geradezu hineinsteigert und ihr eine fast dämonische Dimension verleiht.
Das Publikum zeigte sich begeistert, und selten dürfte im Weingut Rauenthal mehr gelacht worden sein – auch während des Rheingau Musik Festivals!
Frank Raudszus
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